Auf dem Weg zur Supermacht:
Die Militarisierung der Europäischen Union

Gerald Oberansmayr

Nur die wenigsten beginnen schon 1945 mit der Beweisaufnahme und wissen‘s besser, wenn sie die früheren Nachkriegsjahre eben nicht unter „Partnerschaft mit den USA“ einheften. Nicht nur in diesem Punkt setzt Oberansmayr mit seiner 2004 erschienenen Dokumentation zur Militarisierung der Europäischen Union Maßstäbe. Selten war der Brennpunkt des Vergrößerungsglases, das auf die BRD und ihr Europa gerichtet ist, von solcher Trennschärfe, von solcher Treffsicherheit.
So zeigt das Buch auf, dass schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg jede Bewegung der BRD, auch wenn diese noch so eng an der Seite der Vereinigten Staaten getätigt wurde, eigenen, großdeutschen Interessen diente und dient. Freundschaftsbekundungen und die sporadische Deckung der Interessen der Rivalen gegen die Arbeiterklasse an der Macht gestern sowie die „uneingeschränkte Solidarität“ heute konnten und können dies nicht verschleiern. Deutschland einzubinden, um es zuallererst zu binden, darauf ist die damals noch aufstrebende Supermacht USA so sehr angewiesen, dass sie sich dann und wann und nicht mal selten zum Kasperle des deutschen Imperialismus macht.
Mit den alten Mördern hinter neuen Schreibtischen geht‘s zurück an die Hebel, wenn auch vorerst mit kleinen Schritten, wenn auch vorerst ohne „Barbarossa“. Eine „Strategie Europa“, die noch in den Beratungszimmer des „Dritten Reichs“ entstand, ist somit nicht neu, aber erfolgreich, wie leider bei Oberansmayr nachzulesen. Großdeutschland, nichts anderes ist die BRD nach dem Schlucken der DDR, ist zur Nr. 2 weltweit aufgestiegen, man will es nicht wahrhaben, spätestens nach dem Buch muss man es. Großdeutschland reloaded, kein Zweifel, und wir haben es nicht verhindern können, obwohl alles am hellichten Tag geschieht: die Fusionen der Rüstungskonzerne, die Geburt von EADS, der Griff nach Osteuropa und die Erpressung der europäischen Konkurrenz, der Startschuss zur umfassendsten Aufrüstung seit der Wiederbewaffnung nach dem Angriffskrieg auf Jugoslawien, das Tauziehen mit Frankreich, dem vor lauter Friendship am deutschen Busen die Luft knapp wird, schließlich die endgültige Machtergreifung in der EU. Aus der Distanz müssen wir sie, ohnmächtig und gelähmt, erneut registrieren, die generalstabsmäßig geplante Katastrophe, das blitzhafte Wiederauferstehen des deutschen Imperialismus, diesmal mit Europa im Munde, ganz ohne Bltzkrieg. Wie das geschehen konnte, Schritt für Schritt, was in den Trümmern des 8. Mai 1945 geschworen, niemals wieder geschehen sollte, wird bei Oberansmayr als schonungsloser Tatbericht geliefert, aus nächster Nähe bis ins nötige Detail, mit einem unschlagbaren Gespür für das Wesentliche in den Fokus gerückt. Eben kein Nachschlagewerk für dies und jenes. Was nebensächlich und im Detail schon andere Bücher füllt, hat der Autor sich gespart. Man dankt und hält in der Hand, was zu wissen ist, über die BRD, was sie vor hat...
Gewollt ist die fundierte Agitation, jede Seite eine Flugschrift, die hinweisen will auf einen Schwelbrand, der längst zu einer lodernden Feuersbrunst geworden ist, die hinter noch bestehenden Grenzen nur auf einen Luftzug wartet. NATO, WG, WEU, EU – jeder Schritt nur einer auf dem Weg zum Ziel: Revision der Nachkriegsordnung, Aushebeln der Potsdamer Beschlüsse, Griff nach der Weltherrschaft. Und immer passend kommt der Großkotz BRD noch selbst zu Wort, viele Zitate dreister deutscher Staatsdiener in Parlament und Panzer fließen in den Text ein. Genug Material um Angst zu machen, die umschlagen muss in Widerstand. Wenn auch das zurzeit nur sehr viel mehr schlecht als recht vor sich geht, was er schon merkt, der Autor.
Hierzulande lässt sich mit der Linken doch noch jeder Krieg machen. Denn was Krieg ist und was Frieden, bestimmt die allseits wuchernde Blindheit gegenüber der eigenen Bourgeoisie. Die jedoch ist der Hauptfeind. Und genau hier ist das Drama unserer Bewegung zu packen. Dieses Buch kommt und konnte nur zu diesem Resümee kommen!

Gerald Oberansmayr:
„Auf dem Weg zur Supermacht:
Die Militarisierung der Europäischen Union“
ProMedia Verlag, Wien 2004
144 Seiten, 9,90€